Oktoberfest - Die ganz besondere Kulturveranstaltung
Jedes Jahr aufs Neue beginnt das Oktoberfest in München mit dem Oberbürgermeister, der versucht, das Bierfass mit möglichst wenig Schlägen anzuzapfen. Dieses Jahr brauchte Herr Dieter Reiter nur 2 Schläge und schon floss das „flüssige Gold“. Die Veranstalter des Oktoberfestes bezeichneten das als den „perfekte[n] Oktoberfest-Anstich“. Die Menge jubelt und alle sind ganz außer sich. 2023 besuchten 7,2 Millionen Menschen das Oktoberfest, das sind 1,2 Millionen mehr, im Vergleich zum Vorjahr. Dabei kommen die Gäste unter anderem aus den USA, Italien, Japan, Australien, aber auch aus anderen europäischen Ländern. Das Oktoberfest ist DIE Kulturveranstaltung. Über die 18 Tage Wiesn werden ca. 7 Millionen Liter Bier ausgeschenkt und 124 ganze Ochsen verspeist, alle feiern ausgiebig in Lederhosen und Dirndl. Das Oktoberfest ist das Aushängeschild für Kultur in Deutschland. Selbst bei den Simpsons ist es bekannt und Deutsche werden in der Regel immer mit Lederhosen und Bier in Verbindung gebracht. Ist das nicht traurig?
Oktoberfest – Eher eine Schande
Ich habe das Oktoberfest 2x in meinem Leben besucht und fand es 2x absolut grausam. Dieses Fest besteht aus Menschen, die sich bis zu Besinnungslosigkeit abschießen, manche liegen mit runter gelassener Lederhose im Graben, während ihr Hemd mit der vorverdauten Mahlzeit dekoriert wird. Schlägereien, Alkoholvergiftungen und sexuelle Belästigungen gehören zum Alltag der Wiesn. Im Grunde scheint diese Veranstaltung ein Ort zu sein, an dem sich die Besucher absolut danebenbenehmen können, ohne Rücksicht auf Verluste. Wie absurd das Ganze ist, zeigt uns unsere ehemalige Drogenbeauftragte Daniela Ludwig, die sich dabei filmen und feiern lassen hat, wie sie ein Bierfass ansticht. Somit vermittelt sie uns und der Jugend, dass es absolut legitim ist, einen sehr lockeren Umgang mit Alkohol zu pflegen. Gerade die Person, die einmal damit beauftragt war, den Drogenkonsum kritisch zu betrachten, wirbt damit, Alkohol zu konsumieren.
Aber als es um die Legalisierung von Cannabis ging, hat sie diese mit dem erhobenen Zeigefinger abgetan. Wir werben mit dem Oktoberfest, wir feiern das Oktoberfest und nutzen es als Aushängeschild für Deutschland und gleichzeitig finden wir die Zahlen über Alkoholkranke in Deutschland erschreckend. Versteht mich nicht falsch, es ist okay ein Bier zu trinken, es ist auch okay mal über die Stränge zu schlagen. Das bedeutet nicht direkt, dass jemand ein Alkoholiker ist. Aber ein Fest so in den Mittelpunkt zu stellen und alle Fakten darüber herunterzuspielen, weil „Es ist ja nur Alkohol“, finde ich persönlich nicht förderlich. Ich finde, das Oktoberfest spiegelt Deutschlands Umgang mit Alkohol sehr gut wider – und der ist in meinen Augen mehr als problematisch.
Auswirkungen durch das Oktoberfest
Wichtig ist mir, dass es bei den folgenden Auswirkungen nicht nur um das Oktoberfest geht. Wie bereits erwähnt spiegelt diese Veranstaltung unsere gesellschaftliche Haltung und unseren Umgang mit Alkohol nur ganz gut wider, wodurch ich diese Feierlichkeit als Anlass nehme, eben dies unter die Lupe zu nehmen.
Jeder von uns kennt es, wir setzen uns in eine Bar und wollen keinen Alkohol trinken, wir wollen einfach nur den Abend mit den Freunden genießen. Es dauert in der Regel keine 5 Minuten, da wird uns ein Bier oder ein Schnaps angeboten, welchen wir ausschlagen. Ein einfach „Nein“ reicht da leider nicht. Es wird nachgefragt, warum man jetzt nicht trinken möchte, daraus entsteht eine Diskussion. Doch bis das „Nein“ akzeptiert wird, dauert es eine Weile. Nach vielleicht 30 Minuten kommt der nächste und fragt, ob wir nicht was trinken wollen. In nicht wenigen Fällen ist es die gleiche Person, die wir bereits vor 30 Minuten davon überzeugen mussten, dass wir nichts trinken wollen. Es fallen Sprüche wie „Was stimmt denn mit dir nicht?“, „Bist du schwanger?“, „Du kannst bestimmt nichts ab.“ Oder oder oder… Der Kreativität sind da keine Grenzen gesetzt, Grenzen gibt es bei diesem Thema einfach nicht. Man gilt als „Nicht Trinker“ in Deutschland, in vielen Fällen als „Sonderling“. Ob hinter dem „Nein“ vielleicht eine Krankheit steckt, wird komplett außer Acht gelassen. Es soll sogar Menschen geben, die einfach kein Alkohol trinken wollen, ohne jegliche Vorbelastung. Das ist unglaublich! – Sarkasmus Off –
Alkohol gehört zum Deutschen Kulturgut, du kannst dich auf jede erdenkliche Weise abschießen. Ganz edel mit einem Whiskey für 500 € oder eben ganz räudig mit einem 5.0 Bier für 0,49 €, ganz egal wie du es machst, alle akzeptieren das und finden es normal.
Auf den Wiesn ist es auch legitim, sich morgens um 10 Uhr einen oder mehrere Liter Bier reinzudrücken. Da wird man eher komisch angeguckt, wenn du morgens einen Kaffee oder ein Glas Milch zum Frühstück trinkst. Aber genau das ist ein Problem. Nicht, dass man sich mal einen reinorgelt, sondern die allgemeine Haltung dahinter.
Ersetzen wir den Alkohol mal durch einen Schuss Heroin. Stell dir vor, das Oktoberfest fängt damit an, dass der Oberbürgermeister wenig Stiche braucht, um die Vene zu treffen und alle feiern ihn dafür. Bereits morgens sitzt man in Lederhose und Dirndl zusammen und drückt sich was in die Blutbahn. Klingt absolut falsch, oder? Aber genau das passiert auf diesem Event, nur eben mit Alkohol. Wir haben jedoch einen nicht so kritischen Blick auf diese Substanz wie auf Heroin. Denn Heroin ist illegal und es gibt dutzende Geschichten darüber, wie Menschen an Heroin sterben, ihren Körper verkaufen und vieles mehr. Genau diese Geschichten gibt es auch über Alkohol, die Zahlen kennen wir alle, dennoch hier ein kurzer Einblick:
- Ca. 3 Millionen Erwachsene haben eine alkoholbezogene Störung
(Quelle dhs.de)
- Rund 1,77 Millionen Menschen sind in Deutschland alkoholabhängig
(Quelle dhs.de)
- Jährlich sterben 74.000 Menschen an Alkohol
(Quelle dhs.de)
- 57,05 Milliarden Euro kosten pro Jahr durch schädlichen Alkoholkonsum
(Quelle: kenn-dein-limit.de)
Alkohol ist mehr als nur ein „Spaßbringer“. Alkohol frisst jeden Tag Menschleben.
Gewünschter Umgang
Das alles ist das Resultat einer lockeren Alkoholpolitik in Deutschland. Alkohol wird verharmlost und bagatellisiert. Es könnte jedoch anders sein.
Es geht nicht darum, jemandem das Bier zu verbieten, es geht darum, die Gefahren von Alkohol in die Köpfe der Menschen zu bringen, die darin absolut kein Problem sehen. Es geht darum, an die Politik zu treten und klarzumachen, dass Alkohol eine kritische Droge ist, welche mehr Aufklärung benötigt.
Es wäre schön, wenn ein „Nein“ einfach akzeptiert wird und wenn es ein allgemeines Werbeverbot für Alkohol geben würde.
Mehr Aufklärung, weniger Werbung. Die Flachmänner an der Kasse im Supermarkt und an der Tankstelle könnten vielleicht aus dem Regal verschwinden und wie in der Schweiz, in einem gesonderten Shop verkauft werden. Im Grunde sollte es ganz einfach sein. Der Staat verdient Milliarden mit dem Konsum von Bier, Schnaps, Wein, usw. Die Steuern auf Alkohol könnten dennoch erhöht werden und diese Mehreinnahmen in wirklich gute Präventionsprojekte fließen.
Schlusswort
Wie bereits mehrmals erwähnt, geht es mir nicht darum, Alkohol komplett zu verbieten oder darum, jedem einzelnen das Bier schlecht zu reden. Ganz im Gegenteil. Jeder darf sein Bier trinken und auch mal mehr trinken, als er abkann. Jedoch sollte auch jeder wissen, was er tut und darüber aufgeklärt werden, welche Gefahren Alkohol mit sich bringen kann. Alkohol ist weder ungefährlich, weil es legal ist, noch ungefährlich, weil Politiker sich dabei feiern lassen, wie sie das Eröffnungs-Bierfass für das Oktoberfest anstechen. Es geht darum, den Menschen klarzumachen, dass es absolut in Ordnung ist, einfach mal nichts zu trinken und auch überhaupt keinen Alkohol zu trinken.
Es ist nicht leicht in Deutschland trocken zu bleiben, an jeder Supermarktkasse stehen Flachmänner, es hängen überall Plakate und Werbung von verschiedenen Bieranbietern, im Fernsehen läuft Werbung für Kräuterschnaps und beim Fußball geht nichts ohne eine Brauerei. Es wird uns nicht leicht gemacht hier in Deutschland, deswegen ist es umso wichtiger, dass jeder einzelne auf sich achtet und andere Menschen nicht mit ihrem Konsum beeinflusst.
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