Legalisierung von Cannabis – gut gemeint ist nicht immer gut gemacht
Eine große politische Initiative der damals neuen Bundesregierung war und ist die Umkehr beim Umgang mit Cannabis – von der Prohibition hin zur Legalisierung. Doch wie ist eigentlich der aktuelle Stand? Und ist die beabsichtigte Verbesserung beim Umgang mit Cannabis tatsächlich in Sicht?
Was steht im Gesetzesentwurf?
Der Bundesrat hat sich den Gesetzesentwurf Ende September angesehen und hat die Bundesregierung aufgefordert Verbesserungen vorzunehmen. Was steht im Gesetzesentwurf drin und um was für Verbesserungen geht es da genau? Wir versuchen dies hier einmal zusammenzufassen…
Also grundsätzlich soll der Genuss von Cannabis legalisiert und reglementiert werden. Hier besteht jedoch schon einmal eine hohe Hürde, denn europarechtlich und völkerrechtlich hat sich Deutschland verpflichtet den Handel und den Besitz von Drogen unter Strafe zu stellen und dies betrifft in diesem Zusammenhang auch Cannabis. Also müsste eine Initiative entwickelt werden, die perspektivisch aufzeigt, dass der Nutzen einer Legalisierung bzw. Teillegalisierung von Cannabis größer ist als das gesellschaftliche Risiko.
Deshalb wurde sich auf ein 2-Phasen Modell verständigt. In der ersten Phase wird eine Legalisierung angeschoben und in der zweiten Phase wird über regionale Modellprojekte eine Studie über die Kommerzialisierung erstellt – sprich über den Aufbau einer Cannabiswirtschaft. Ziel war die Entkriminalisierung von Konsumenten und ein verbesserter Kinder- und Jugendschutz. Doch werden diese Ziele mit dem aktuellen Entwurf eigentlich erreicht?
Die Cannabis-Clubs
Zuerst können sich Anbauvereine bilden, welche bis zu 500 Mitglieder haben dürfen. Diese Vereine dürfen höchstens 25 Gramm Cannabis pro Tag und höchstens 50 Gramm pro Monat zum Eigenkonsum weitergeben. Heranwachsende (Alter 18-21 Jahre) dürfen höchstens 30 Gramm Cannabis pro Monat erhalten, das einen THC-Gehalt von zehn Prozent nicht überschreitet. Diese Vereine sind aber nicht als Social-Clubs vorgesehen, sondern lediglich als Verteilstellen. Konsumieren geht dort nicht.
Es dürfen auch keine anderen Artikel dort verkauft oder Werbung gemacht werden. Über die verteilte Menge muss penibel Buch geführt werden und Cannabis eigenverantwortlich vernichtet werden, wenn es nicht den gesetzlichen Anforderungen entspricht. Die Vereine müssen Beauftragte für Suchtprävention und für Kinder- und Jugendschutz vorhalten. Um einen Club zu eröffnen bedarf einer Zuverlässigkeit, wie sie in der Gewerbeordnung vorgesehen ist.
Entkriminalisierung ist möglich
Prinzipiell ist die Möglichkeit einer Entkriminalisierung gegeben. Leider gibt es dafür kein automatisiertes, sondern bis jetzt nur ein formell juristisches Verfahren. Betroffene können einen Antrag an die Staatsanwaltschaft stellen. Nach einer Prüfung der Tilgungsfähigkeit können Einträge im Bundeszentralregister entfernt werden.
Die hohe Anzahl zu erwartenden Anträgen würde zu einer völligen Überforderung des Bundesamts für Justiz führen und dadurch wäre die Funktionsfähigkeit des Bundeszentralregisters gefährdet, das eine große kriminal- und sicherheitspolitische Bedeutung hat. Die Antragstellung sowie die Prüfung und die Tilgung werden schlussendlich von Menschen durchgeführt und dies schließt Fehler mit ein, so dass auch Tilgungen widerrufen werden können.
Jugendschutz
Das wohl stärkste Motiv für die Legalisierung von Cannabis ist der Kinder- und Jugendschutz. Was hat eine höhere Schutzwirkung als ein Verbot? Ganz genau, nichts! Und deswegen bleibt für Kinder- und Jugendliche jeglicher Kontakt mit Cannabis zurecht verboten. Die Anbauvereine dürfen in der Nähe von Kindergärten und Schulen z.B. nicht öffnen. Anbauvereine dürfen mit Kindern und Jugendlichen keinen Kontakt haben. Und dies ist auch absolut richtig so, aber wozu brauchen die Vereine dann Kinder- und Jugendschutzbeauftragte?
Die Vereine sollen sich zudem kommunal an der Prävention beteiligen. Auch diese Idee scheint nachvollziehbar, aber wo kommt denn das Wissen genau her und vor allem macht es dann keinen Sinn, wenn die Mittel für Suchtprävention kontinuierlich gekürzt werden. Insofern Kinder- und Jugendliche gegen das Verbot verstoßen, wurde eine Art freiwillige Verpflichtung für Interventionsmaßnahmen formuliert, da das Gesetz sonst gegen das Erziehungsprivileg der Eltern verstoßen hätte. Also eigentlich sind die Maßnahmen verpflichtend aber faktisch werden sie nur empfohlen. Ob die Maßnahmen dann eine Wirkung erzielen, bleibt abzuwarten.
Forderung von Nachbesserungen
Und welche Nachbesserungen hat der Bundesrat nun gefordert? Der Bundesrat erwartet eine konkretere Regelung der Kontroll- und Vollzugsaufgaben, die im Ergebnis keinen zusätzlichen Bedarf an Personal mit sich bringen soll. Mit den Anforderungen an die Cannabis-Clubs, deren Kontrolle der Polizei obliegen sollen, ist dies eine Herausforderung. Zudem sollen Mindeststandards an die Präventions- sowie Gesundheits- und Jugendschutzkonzepte festgelegt und auf Praxistauglichkeit und Umsetzbarkeit formuliert werden – kurzum die Wirksamkeit soll sichergestellt werden.
Dem Entwurf fehle es zudem an Vollzugsdefiziten und dass der Bundesrat der Initiative nicht zustimmen soll, wurde angemahnt. Auch wir haben viele dieser Fragen gestellt und Ausformulierungen im Sinne einer Wirksamkeit oder eines tatsächlichen Bedarfs an Arbeitsstunden bei den Strafbehörden ist zu diesem Zeitpunkt unserer Meinung nach nicht wirklich verlässlich zu leisten.
Schwarzmarkt bleibt erhalten
Umso mehr man sich mit dem Gesetz beschäftigt, desto mehr entsteht das Gefühl, dass sich das Gesetz in der Wirkung selber im Weg steht. Die größte Zielgruppe und zugleich die Gruppe, die am meisten gefährdet ist, ist die Altersgruppe zwischen 12 und 17 Jahren. Für diese Gruppe ändert sich aber gar nichts und der Schwarzmarkt, dem man versucht ein wenig Einhalt zu gebieten, wird sich eben genau auf diese Gruppe konzentrieren. Cannabis wird mit Blei oder Sand gestreckt. Wenn der Staat aber einen Preis festsetzt, der unter dem Preis des Schwarzmarktes liegt, wird sich der Anteil der Verunreinigungen erhöhen und die Jugendlichen vielleicht sogar noch unsauberes Gras rauchen als sie es gerade tun.
Die Entkriminalisierung ist wichtig. Vor allem für die jungen Konsumenten ist es bedeutend, dass sie mit einem sauberen Führungszeugnis ins Berufsleben starten. Ein automatisiertes Verfahren gibt es aber nicht und die Ressourcen in der Verwaltung der Justiz können scheinbar einen so großen Ansturm gar nicht bewältigen, wodurch sich für den Einzelnen die Frage stellt, ob sich die Zeit und die Mühe überhaupt lohnt. Der Eindruck entsteht, dass wir auch hier mal wieder an der Bürokratie scheitern werden. Zuletzt ist auch nicht klar, ob sich Betroffene zentral über die Tilgungsfähigkeit der Strafen informieren können. Es bedarf also anwaltlicher Beratung und die kann sich nun mal auch nicht jeder leisten.
Anbauvereine sind keine Social-Clubs
Für die Anbauvereine gibt es in Schleswig-Holstein aber auch in Deutschland insgesamt bereits viele Bewerbungen. Die Hürden, die in dem Gesetz eingebaut sind, scheinen augenscheinlich angemessen zu sein. Unlogisch erscheinen sie uns dennoch an der einen oder anderen Stelle, wie z.B. die starke Abgrenzung von Schulen und Kindergärten. Denn neben der oben genannten Menge für den Genuss von Cannabis dürfen die Vereine auch sieben Samen oder fünf Stecklinge pro Monat ausgeben und der Anbau zu Hause ist erlaubt. Hier kann diese Abgrenzung nicht erfolgen – zumindest nicht räumlich, der Zugriff kann aber schon vermieden werden. Meine Nachbarn könnten eine Kindertagespflegestelle führen. Und was passiert dann?
Die Cannabis-Clubs sind leider nicht als Social-Clubs konzipiert, d.h. dass der Konsum dort nicht erlaubt ist und dadurch weiterhin der Eindruck entsteht, dass der Konsum eher geduldet wird (wie in Holland) als das er akzeptiert wird. Konsumiert wird weiter im Verborgenen oder zu Hause und dies scheint eine verpasste Chance zu sein, denn ein Cannabis-Social-Club wäre dann vergleichbar mit einer Gaststätte oder auch Kneipe mit einem entsprechenden Ausschank. Die Zielgruppe wäre vor Ort und die Zusatzqualifikationen der Vereinsführung könnten auch angewendet werden. Die kommunale Vernetzung der Abgabestellen wäre auch viel intensiver und zielgerichteter. Aber so verpassen wir es, dass wir einen nachvollziehbaren Umgang mit den legalen Suchtstoffen insgesamt herstellen und nicht bloß die Sonderstellung von Alkohol erhalten sondern sogar eine neue für Cannabis schaffen. Außerdem müssten dann die Social-Clubs auch nicht sicherstellen, dass der Nichtraucherschutz eingehalten wird. So seltsam es klingen mag – im aktuellen Entwurf ist ein Nichtraucherschutz für Kiffer enthalten.
Was sagen wir dazu?
Auf einer Tagung plädierte eine Referentin dafür, dass wir dieses Vorhaben jetzt durchboxen, damit wir überhaupt eines haben. Wir – CliC – sieht dies tatsächlich ein wenig anders, denn wir befürchten, dass wir die „Zahnpasta später nicht in die Tube zurückbekommen“. Während unserem Austausch mit dem Bundesdrogenbeauftragten haben wir uns sehr stark dafür eingesetzt, dass die Reihenfolge der Gesetzesinitiative geändert wird. Wir plädieren dafür zuerst die Studie sowie die Modellprojekte und die Evaluation einzelner Paragraphen oder frischer Präventionsangebote durchzuführen. Mit dieser Datenlage hätte dann die Initiative in Deutschland und Europa unterstützt werden können. Ein Modell, wie in Portugal, hätten wir bevorzugt, wo Intervention ein Teil der Hilfen ist und die Konsumierenden früh in ein Netz von Hilfe zur Selbsthilfe fallen. Die Hilfen dort sind userfreundlich und individuell. Unsere Polizei und unsere Justiz hätte eine Übergangszeit gehabt und für grundlegende Fragen wie Cannabis-Clubs oder Cannabis-Social-Clubs wäre ebenso genügend Zeit geblieben; genauso wie für die Ausbildung von Präventionskräften und das Aufsetzen von Informationskampagnen. Ein Gesetz mit dieser enormen Auswirkung hätte nicht überstürzt initiiert werden müssen, da wir schließlich ein wirksames 4-Säulen-Modell haben:
- Prävention
- Frühe Hilfen
- Schadenminimierung
- Einschränkung des Angebots über das Betäubungsmittelgesetz
Auch wenn wir für die Legalisierung und viel mehr für die Entkriminalisierung von Substanzkonsum sind, besteht dieses Modell seit Jahren und es ist in seiner Weise wirksam. Nur sollte vor allem der letzte Punkt von einem Gesetz abgelöst werden, dass mindestens ebenso wirksam ist und daran haben wir unsere Zweifel.
Das Gesetz trifft vor allem das wichtigste Ziel nicht und zwar die Lebenswelt der Jugendlichen selbst. Aufklärung von den Gefahren des Cannabiskonsums ist das eine, aber auch zu Wissen, wo wird konsumiert und warum genau? Weil es in der Schule oder im Sportverein einen Gruppenzwang gibt oder gibt es psychische Probleme? Stress in der Schule oder mit der ersten Liebe? Mit meinen Eltern oder gab es ein traumatisches Erlebnis?
Suchtberatungsstellen sowie Familien- und Jugendberatung wünschen sich kommunal eine stärkere Vernetzung. Einen Schulterschluss hinzubekommen mit Jugendzentren und Schulen sowie Sportvereinen hätten wir uns ebenfalls gewünscht und deswegen haben wir uns gegen den aktuellen Entwurf ausgesprochen. Wir möchten, dass wir versuchen, die einfachen Dinge gut zu machen und nicht die schwierigen Dinge schlecht. Oder wie die Amerikaner sagen: „Wenn etwas nicht kaputt ist, dann repariere es nicht.“
Unsere Stellungnahmen findest du hier im Beitrag, ganz unten. Wenn Du also Fragen hast zu unserer Position hast oder Dich austauschen willst, dann sende mir eine Mail unter st@clic-deutschland.de oder schaue in unser Forum.
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